Anton de Kom

Geboren wurde Cornelis Gerard Anton de Kom 1898 in Paramaribo, der Hauptstadt des südamerikanischen Landes Suriname. Er wuchs im Arbeiterviertel Pontewerfstraat auf und besuchte eine weiterführende Schule, die er mit einer Art Mittleren Reife (Meer Uitgebreid Lager Onderwijs, MULO) abschloss. Nach einer kurzen Bürotätigkeit arbeitete er als Buchhalter bei der Gummifirma Balata Compagnie. Schon bald begann er, die Interessen der Kautschukzapfer, sogenannte Balata-Bleeders, gegenüber der Geschäftsführung zu vertreten, was ihm den Spitznamen „Papa De Kom“ einbrachte. Die erlebte Ungleichheit und Ausbeutung im Kolonialismus sollten den politischen Aktivisten und Publizisten zeitlebens beschäftigen. Sein Vater Adolf Damon de Kom arbeitete zunächst als Goldschürfer und später zusammen mit seiner Frau Judith Jacoba Dulder als Landwirt. De Koms Großeltern hatten die Versklavung noch am eigenen Leib erfahren. Erst 1863 war das Sklaverei-Regime in Suriname abgeschafft worden. Der Familienname ist eine Umkehrung von Mok, dem Namen des früheren Besitzers. Die Niederländer kolonisierten die südamerikanische Region Suriname seit 1667, verschleppten zahllose Menschen aus Westafrika, die dort Zuckerrohr, Tabak und Kaffee anbauten und ernteten. Später wurden auch Arbeiter aus Java, Indien und China ins Land geholt. Die Plantagenwirtschaft und die Sklaverei hinterließen tiefe Spuren in der Gesellschaft, die bis 1975 von den Niederlanden kolonisiert worden war.

Zu Beginn der 1920er Jahre reiste de Kom in die Niederlande, absolvierte in Den Haag einen einjährigen Dienst im Regiment Huzaren, wo er nicht nur als einziger Schwarzer Aufmerksamkeit erregte, sondern auch wegen seiner antikolonialen Haltung. Während seiner Arbeit in der Kaffee-, Tee- und Tabakbranche trat er der Liga tegen Imperialisme en Koloniale Overheersching (Liga gegen Imperialismus und koloniale Vorherrschaft) bei, einer Organisation, die sich für die Unabhängigkeit aller niederländischen Kolonien einsetzte. Unter dem Pseudonym Adek – Anton de Kom – schrieb er in der Zeitschrift Links Richten. 1926 heiratete er Petronella Catharina Borsboom. 1927 nahm er nicht nur an dem International Congress against Colonial Opression and Imperialism in Brüssel teil, sondern wurde auch das erste Mal verhaftet.

Im Dezember 1932 reiste er mit seiner Familie nach Suriname und eröffnete im Haus seiner verstorbenen Eltern ein Beratungsbüro für hilfesuchenden Arbeiter aus Suriname, Indonesien und Indien. Gleichzeitig versuchte er die Menschen darin zu unterstützen, sich zu organisieren und eigene Strategien gegen Ausbeutung und Armut zu entwickeln. 1933 verhaftete die niederländische Kolonialverwaltung den Publizisten und antikolonialen Organizer. Zahlreiche Menschen versammelten sich und forderten seine Freilassung. Ohne Gerichtsurteil schob man de Kom und seine Familie nach Amsterdam ab.

In dieser Zeit entstand das Buch Wir Sklaven von Suriname, für das er bereits viele Jahre lang recherchiert hatte. Es erschien 1934 in einer zensierten und erst 1971 in einer unzensierten niederländischen Ausgabe. Zunächst durfte es in Suriname sowie den anderen holländischen Kolonien überhaupt nicht vertrieben werden. De Kom berichtet darin vom blutigen Gewaltregime der weißen Herren aus Europa. Und er beschreibt, wie sich Versklavte gegen die undemokratischen Verhältnisse auflehnten, wie sie flohen und Widerstandsgruppen gründeten. Darüber hinaus widmet er sich den zeitgenössischen Themen rund um Armut und Ungleichheit. Das Werk zählt zu den ersten Büchern, das von Nachfahren versklavter Menschen und aus antikolonialer Sicht karibische Geschichte beschreibt – ähnlich wie das 1938 veröffentlichte Buch The Black Jacobins des Historikers C. L. R. James aus Trinidad und Tobago zur Haitianischen Revolution 1791–1804.

1940 besetzte die deutsche Wehrmacht Holland und verbot das antikoloniale Buch. Anton de Kom schloss sich dem holländischen Widerstand gegen das NS-Besatzungsregime an, wurde aber 1944 verhaftet und in das Konzentrationslager (KZ) Kamp Vught (Herzogenbusch) gebracht. Von dort wurde er wie viele andere holländische politische Gefangene zu Zwangsarbeit erst ins KZ Sachsenhausen, dann ins KZ Neuengamme bei Hamburg verschleppt, wo er am 24. April 1945 im Lager Sandbostel starb – kurz vor der Befreiung durch die britische Armee.
In Deutschland kennt man seinen Namen kaum –  in Suriname sehr wohl.

von Anke Schwarzer

Quellen:

  • Anton de Kom: Wir Sklaven von Suriname. Transit Buchverlag, Berlin 2021