FeMigra

Nach verschiedenen rassistischen Angriffen in Deutschland seit der Wiedervereinigung, bildete sich 1991 in Frankfurt am Main die Gruppe Feministische Migrantinnen (FeMigra), um auf diese rassistischen Angriffe zu reagieren. Gemeinsam mit anderen selbstorganisierten Gruppen von Migrant*innen und Menschen auf der Flucht arbeitete FeMigra an einem Notruf-Netzwerk und organisierte Treffen zum Thema Widerstand gegen die „Festung Europa“. Dabei arbeitete FeMigra zusammen mit der Gruppe Internationaler Studierender (GIS) an einer dezidierten feministischen rassismuskritischen politischen Arbeit. FeMigra und GIS organisierten an der Goethe Universität in Frankfurt Vollversammlungen zu den rassistischen Angriffen, die 1992 und 1993 vermehrt in ganz Deutschland stattfanden. Die GIS kam nach den Studierendenstreiks im Jahr 1987 an der Goethe Universität zusammen um eine autonome, selbstorganisierte Vetretung des Ausländer*innenreferats zu fordern, welches zu diesem Zeitpunkt von Vertreter*innen des ASTA, zumeist Mitglieder aus der Mehrheitsgesellschaft, besetzt war.

Encarnación Gutiérrez-Rodríguez, Gründungsmitglied von FeMigra und Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Kultur und Migration an der Goethe Universität, forscht und arbeitet zu dem Konzept des migrantischen Feminismus. In dem Artikel FeMigra Reloaded: Migrantischer Feminismus und Bündnispolitik erläutert sie dessen Rolle in der aktuellen politischen Landschaft und geht darauf ein, wie sich der feministische Diskurs in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Während der feministische Diskurs in den 1970er Jahren in Westdeutschland hauptsächlich von weißen Frauen geprägt war, sind heute zunehmend Frauen mit Migrationshintergrund in feministische Debatten involviert. Der migrantische Feminismus versteht sich als eine feministische Praxis, die von den Erfahrungen und Perspektiven von Frauen mit Migrationserfahrung geprägt ist. Er geht dabei über die traditionelle Vorstellung von Feminismus hinaus, die sich vornehmlich auf die Unterdrückung von (weißen) Frauen und die notwenige Befreiung von nicht-weißen Frauen, als untätige Opfer des Patriarchats, fokussiert. Stattdessen sieht er die Diskriminierung von Frauen in einem größeren Zusammenhang von Kapitalismus, Rassismus, Sexismus und anderen Formen der Ungerechtigkeit. Besonders wird die Diskriminierung von migrantischen Frauen hervorgehoben. Aus dieser Perspektive heraus fordert der migrantische Feminismus die Einbindung von feministischen Themen in andere soziale Bewegungen und politische Kämpfe. Gutiérrez Rodríguez betont, dass der migrantische Feminismus eine besondere Bedeutung für die selbstorganisierte, rassismuskritische, feministische Bündnispolitik von Schwarzen, Romnja und Sintezze, jüdischen, migrierten und exilierten Frauen in der Bundesrepublik hat.

So wird deutlich, dass es wichtig ist, die Vielfalt und Diversität innerhalb der Gruppen des migrantischen Feminismus zu berücksichtigen. Die Unterschiede können dazu führen, dass eine strategisch gedachte Identität, möglicherweise für einige ausschließend und für andere einengend wirkt. Die Selbstorganisation wird deshalb als einziges Mittel gegen Bevormundung, Verzerrung, Unterwerfung und Unterdrückung erachtet.

von Elena Dressler

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