Joseph Ekwe Bilé steht für die Geschichte des internationalen Widerstands gegen Kolonialismus, afrodiasporische Vernetzung und Selbstorganisation, für die Deutschland und insbesondere Berlin für eine kurze Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu einem zentralen Schauplatz wurden.
Der 1892 als Sohn des wohlhabenden Kaufmannes James Bilé a M’bule und dessen Frau Georgette Eyango geborene Bilé wurde nach Deutschland geschickt, wo er ab 1912 an der Technischen Schule in Hildburghausen Bauingenieurwesen studierte. Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges von Heimat und Familie abgeschnitten, waren er und hunderte andere Afrikaner:innen plötzlich auf sich gestellt. Nachdem sich durch den Übergang der Kolonien in französische und britische Herrschaft die ehemaligen deutschen ‘Kolonialsubjekte’ mit unklarem Rechtsstatus wiederfanden, gründeten einige den in Hamburg ansässigen Afrikanischen Hilfsverein, um sich finanziell, v.a. bei der Auseinandersetzung mit Behörden und der Arbeitssuche, gegenseitig zu unterstützen. Zudem protestierte der Verein 1921 mit einem offenen Brief gegen die rassistische Kampagne um die sogenannte ‘Schwarze Schmach’, die Besetzung des Rheinlandes durch französische Kolonialtruppen, da die Kampagne für Schwarze Menschen überall in Deutschland zu zunehmenden Anfeindungen führte. Nach dem Ende des Vereins arbeitete Bilé zunächst bei einem Bauunternehmen, bevor es ihn zum Film nach Berlin und schließlich zum Zirkus nach Wien verschlug. Seine Karriere in der Unterhaltungsbranche brachte ihn gemeinsam mit Größen wie Josephine Baker und Paul Robeson auf die Bühne.
Zurück in Berlin, wo er 1929 in der Bülowstraße 39 in Berlin-Schöneberg lebte – seit 2022 erinnert dort eine Gedenktafel an ihn – gründete er mit ehemaligen Mitgliedern des Hilfsvereins die deutsche Sektion der in Paris von Tiemoko Garan Kouyaté geführten Ligue de Défense de la Race Nègre, eine explizit antikoloniale und antiimperialistische Organisation mit Verbindungen zur kommunistischen Partei. Im Jahr 1930 begann Bilé eine Ausbildung an der marxistischen Abendschule und reiste nach Hamburg, um an dem von George Padmore organisierten Internationalen Kongress Schwarzer Arbeiter teilzunehmen, wo er zu einem weiteren Gewerkschaftskongress nach Moskau eingeladen wurde. Dort wurden einige der Differenzen zwischen der Komintern und panafrikanistischen Aktivist:innen deutlich. So argumentierte Bilé dafür, Rassismus nicht der Klassenfrage unterzuordnen und stellte bei Afro-Amerikanischen Genossen einen gewissen Chauvinismus gegenüber Afrikaner:innen vom Kontinent fest. Ab 1931 trat Bilé als KPD-Mitglied in Erscheinung, etwa bei der Kampagne zur Freilassung der Scottsboro Boys. Padmore unterstrich, welche Rolle er als fließend deutschsprechender Afrikaner für deren internationale Dimension spielte.
Bilé verkörperte die Erfahrung deutscher Kolonialherrschaft und repräsentierte Schwarze und afrikanische Befreiungskämpfe. Im Sommer 1932 wurde er auf Padmores Vorschlag für ein Studium nach Moskau an die Universität der Werktätigen des Ostens gesandt. Danach hatte sich die Lage in Europa grundlegend geändert. Mittellos erreichte er 1935 Paris. Seine Mentoren Kouyaté und Padmore hatten aufgrund des nun deutlich moderateren Antikolonialismus mit der Komintern gebrochen und auch er wandte sich ab. Die Afro-Amerikanische Presse berichtete über Bilés Lage und die Situation Schwarzer Menschen im nationalsozialistischen Deutschland brandmarkte ihn als Agenten von George Padmore und warnte vor Kontakt mit ihm. In Kamerun arbeitete er als Architekt und zog sich aus der öffentlichen Politik zurück, hielt aber weiterhin Korrespondenz mit Manga Akwa, ebenfalls früheres Mitglied der Liga und organisierte informelle Diskussionen mit den Ältesten der Douala. Bilé starb 1959, ein Jahr vor der Unabhängigkeit der französischen Kolonie.
von Kofi Shakur