Hans J. Massaquoi

Der Journalist und Buchautor wurde 1926 mit dem Namen Hans-Jürgen Massaquoi in Hamburg geboren. Seine Eltern waren die Krankenschwester Bertha Baetz und der Student Al Haj Massaquoi. Sein Vater lebte zum Zeitpunkt der Geburt in Irland und Hans J. Massaquoi lernte ihn in seiner Hamburger Zeit nie persönlich kennen. Sein Großvater war Momolu Massaquoi, Generalkonsul von Liberia in Hamburg. In dessen Villa im vornehmen Stadtteil Rotherbaum verbrachte er seine ersten Lebensjahre. Als der Diplomat 1929 nach Liberia zurückkehrte und Bertha Baetz sein Angebot, die beiden mit dorthin zu nehmen, ausschlug, zog die Alleinerziehende mit ihrem kleinen Sohn in das Arbeiterviertel Barmbek. Dort erlebten sie den Aufstieg des Nationalsozialismus. Hans J. Massaquoi wollte als Kind, das dazugehören wollte, zur Hitlerjugend und als Jugendlicher zur Wehrmacht. Doch immer deutlicher und bedrohlicher zeigten sich die rassistischen Ausgrenzungen. Mit Hilfe seiner Mutter sowie einiger weniger Personen überlebte er die 12 Jahre Rassenwahn des nationalsozialistischen Regimes. 1948 wanderte er in die USA aus – als junger Mann, der aus rassistischen Gründen im Nationalsozialismus die Schule nach der 8. Klasse hat verlassen müssen. Später studierte er Publizistik, engagierte sich in der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung und arbeitete als Chefredakteur der US-amerikanischen Zeitschrift Ebony. Er interviewte unter anderem Martin Luther King, Malcolm X, Nnamdi Azikiwe, Muhammad Ali, Jimmy Carter und Walter Scheel. 1999 veröffentlichte er seine Autobiographie Destined to witness, die im gleichen Jahr auch auf Deutsch erschien – bedauerlicherweise mit einem rassistischen Kinderreim als Titel. 2013 starb er in Jacksonville/Florida.

1966 landete Hans J. Massaquoi auf dem Frankfurter Flughafen. Es war der erste Besuch des Journalisten, nachdem er Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Richtung Liberia und Nigeria und danach USA verlassen hatte. Sein Auftrag: Recherchieren, wie es Schwarzen zwanzig Jahre nach dem Sieg der Alliierten über das NS-Regime geht. Welche Rechte haben sie? Wie sieht es mit Rassismus im Alltag und Chancengleichheit aus? Haben die Deutschen nach der Nazizeit ihre Einstellung in diesem Punkt verändert? Er beschäftigte sich mit der Situation von Kindern Schwarzer Soldaten der US-Armee und weißen Frauen. Und er traf sich mit mehreren Schwarzen, wie etwa mit dem Basssänger Owen Williams, um ihre Lebenswelten in Deutschland kennenzulernen.

Danach reiste er immer wieder nach Deutschland, ging auf Lesereisen und sprach in Talkshows, nicht zuletzt in den 1990er Jahren, als der alarmierende Anstieg an rassistischen Angriffen und Morden seinen anfänglichen Optimismus zunichte gemacht hatte. Die deutsche Geschichte habe gezeigt, dass man sich Intoleranz und Rassismus nicht früh genug widersetzen könne, ganz gleich, wann, wo und in welcher Form sie ihr hässliches Gesicht zeigten, schrieb er in den Nachgedanken seiner Lebensgeschichte.

Sein 1999 erschienenes Buch gilt als die erste Autobiographie eines Schwarzen Deutschen, der den Nationalsozialismus überlebt hat. Ihm folgten die wertvollen Memoiren von Marie Nejar, Gerd Schramm und Theodor Wonja Michael. Zuvor hatten die Schwestern Erika Ngambi und Doris Reiprich bereits 1986 ihre Überlebensgeschichte als Schwarze junge Frauen in den wichtigen Sammelband Farbe bekennen: Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte einfließen lassen.

Hans J. Massaquoi steht zudem für zwei Familien, die sich den rassistischen Diskursen rund um Liebesbeziehungen zwischen Schwarzen und Weißen widersetzten. Mit seinem Engagement für demokratische Prinzipien, insbesondere für die Gleichheit der Menschen und Chancengleichheit war und ist Hans J. Massaquoi für viele Menschen, nicht zuletzt für Schwarze Deutsche und Deutsche of Color eine wichtige, identitätsstiftende und stärkende Figur.

von Anke Schwarzer

Quellen:

  • Hans-Jürgen Massaquoi (1999):  „N***, N***, Schornsteinfeger!“ Meine Kindheit in Deutschland. Fretz und Wasmuth Verlag, Zürich.
  • Hans-Jürgen Massaquoi (2004): Hänschen klein, ging allein … Mein Weg in die Neue Welt. Scherz Verlag, Frankfurt am Main.
  • Katharina Oguntoye (1997): Eine afro-deutsche Geschichte. Zur Lebenserfahrung von Afrikanern in Deutschland von 1884 bis 1950.